Wenn Eltern die Verantwortung für ihr Kind nicht übernehmen können, wird das Kind unter Vormundschaft oder Ergänzungspflegschaft gestellt. Der Vormund hat dann Elternrechte und wird zu einer wichtigen Person im Leben aller Beteiligten. Aber viele junge Menschen und Erwachsene wissen gar nicht, was der Vormund macht, was seine Aufgabe und seine Rolle ist. Deshalb haben wir in dieser Broschüre Fragen, die von jungen Menschen, Eltern oder Betreuerinnen, die für Kinder und Jugendliche sorgen, immer wieder gestellt werden, kurz und verständlich beantwortet.
Noch zwei Dinge vorab: Erstens, wenn wir im Folgenden über Vormünder oder andere Erwachsene schreiben, sind damit natürlich immer Männer und Frauen gemeint. Zweitens findet sich manchmal der Hinweis auf einen Paragrafen, also eine einzelne Vorschrift in einem Gesetz. Die Texte dieser Paragrafen können auf der Homepage (www.gesetze-im-internet.de) und im Bürgerlichen Gesetzbuch (= BGB) oder im Sozialgesetzbuch Achtes Buch (= SGB VIII) genauer nachgelesen werden. Ansonsten einfach den Vormund oder den zuständigen Mitarbeiter im Jugendamt nach dem genauen Gesetzestext fragen!
Wie du dir denken kannst, gibt es den Vormund schon sehr lange. Früher, vor ungefähr 1000 Jahren, lebten die meisten Menschen in Deutschland noch auf Bauernhöfen. Damals war der Hausherr, dem der Hof gehörte, dazu verpflichtet, die Personen in seiner Familie und auf seinem Hof zu schützen und zu versorgen, aber auch Streit unter ihnen zu schlichten und sie in Rechtssachen zu vertreten. Diese Pflicht des Hausherrn nannte man früher die „Munt“. Die Menschen, die dem Hausherrn anvertraut waren, nannte man „Mundlinge“, weil sie seiner „Munt“ unterstanden. Bis heute spricht man deshalb vom „Vormund”, wenn jemand diese Aufgaben an Eltern statt für ein Kind – den „Mündel“ – übernimmt. Allerdings werden heute nicht mehr nur Männer, sondern auch Frauen zum Vormund bestimmt. Was Jungen und Mädchen wissen sollten:
So lange du noch nicht 18 Jahre alt bist, muss es jemand geben, der die Verantwortung für dich übernimmt und dafür sorgt, dass es dir gut geht. Eigentlich ist das die Aufgabe der Eltern, aber manchmal können oder wollen Eltern diese Aufgabe nicht übernehmen. In einem solchen Fall wird von einem Gericht ersatzweise ein anderer Erwachsener damit beauftragt, die Verantwortung für dich zu übernehmen. Diese Person nennt man Vormund. Der Vormund ist dein rechtlicher Vertreter anstelle der Eltern und soll für dein Wohlergehen sorgen. Er verwaltet zum Beispiel dein Geld, bis du 18 Jahre alt bist oder sorgt dafür, dass du in einem geeigneten Heim oder bei einer Pflegefamilie oder in einer betreuten Wohnung leben kannst. Wenn den Eltern nur ein Teil ihrer elterlichen Verantwortung entzogen wurde, zum Beispiel Hilfen zur Erziehung zu beantragen oder darüber zu bestimmen wo du lebst, spricht man auch vom Ergänzungspfleger oder kurz, dem Pfleger. Er ist dein rechtlicher Vertreter nur in bestimmten Angelegenheiten; er tritt ergänzend neben die Eltern, daher der merkwürdige Name.
Aus früheren Zeiten weiß man, dass Kinder, deren Eltern gestorben sind (also Waisenkinder), einen Vormund erhielten. Das ist auch immer noch so. Aber es gibt heutzutage auch viele andere Gründe, warum jemand einen Vormund bekommt: Manchmal sind Eltern sehr krank und müssen die Verantwortung für ihr Kind abgeben. Oder Eltern kümmern sich nicht um ihr Kind oder schlagen und misshandeln es. Dann kann es sein, dass das Familiengericht ihnen ganz oder teilweise die Verantwortung für ihr Kind wegnimmt. Diese Eltern dürfen dann nicht mehr für ihr Kind sorgen. Weil es bis zum 18. Geburtstag aber jemand geben muss, der sich um das Wohlergehen des Kindes kümmert, beauftragt das Gericht einen anderen Erwachsenen, nämlich den Vormund, mit dieser Aufgabe. Einen besonderen Fall gibt es noch: Wenn ein Mädchen ein Kind bekommt, bevor sie 18 Jahre alt ist, dann bekommt sie für die gesetzliche Vertretung ihres Kindes einen Vormund an die Seite gestellt.
Im Prinzip kann jeder Erwachsene durch das Familiengericht zum Vormund bestimmt werden. Manchmal bestimmt das Gericht die Großeltern oder eine andere Person zum Vormund. Nicht immer finden sich aber geeignete Erwachsene, die eine solche verantwortungsvolle Aufgabe für ein Mädchen oder einen Jungen übernehmen wollen. Deshalb wird oftmals ein Erwachsener im Jugendamt zum Vormund bestimmt. Der heißt dann Amtsvormund, da er in einer Behörde oder einem Amt arbeitet. Häufig ist der dann für mehrere Kinder gleichzeitig verantwortlich.
Manchmal kommt der Vormund auch aus einem Vormundschaftsverein. Der Vormund ist aber immer eine ganz bestimmte erwachsene Person, die du ansprechen kannst und nicht allgemein das Jugendamt oder der Verein. Dieser Erwachsene übernimmt persönlich für dich Verantwortung und soll deine Interessen vertreten. Daher ist es wichtig, dass der Vormund wirklich unabhängig ist. Deshalb darf der Chef im Jugendamt dem Vormund auch nicht vorschreiben, was er tun muss. Das Gesetz schließt daher zum Beispiel auch aus, dass die Betreuer im Heim dein Vormund werden können (§ 1791a BGB). Das wäre zwar manchmal praktisch für dich, aber für die Betreuer ist die Arbeit mit Kindern ihr Beruf und sie sind dazu beim Heim angestellt. Deshalb sind sie nicht wirklich unabhängig.
Manche Vormundschaftsgerichte oder Jugendämter beteiligen die Kinder und Jugendlichen bei der Auswahl ihres Vormunds. Das gehört eigentlich dazu, hängt aber auch von deinem Alter ab. Außerdem kannst du eigene Vorschläge machen, welche erwachsene Vertrauensperson du als Vormund haben willst. Falls du später einmal mit deinem Vormund gar nicht mehr klar kommst, kannst du das Jugendamt oder Vormundschaftsgericht bitten, jemand anders zu deinem Vormund zu bestimmen. Die müssen sich das dann genauer anschauen. Wenn du in die Schule gehst, dann kann der Lehrer bestimmen, was du dort machen sollst – ob du zum Beispiel lesen oder rechnen sollst –, obwohl immer noch die Eltern für deine Erziehung zuständig sind.
So ähnlich ist es auch mit dem Vormund. Das Gesetz sagt, dass die Betreuer im Heim oder die Pflegeeltern über die Angelegenheiten des täglichen Lebens entscheiden dürfen (§ 1688 BGB): Wann zum Beispiel Hausaufgaben gemacht werden müssen, wann man wieder im Haus sein soll oder ob jemand doch noch länger draußen bleiben oder in die Disco darf. Unabhängig davon bleibt der Vormund für dich verantwortlich und entscheidet deshalb bei allem, was dein Leben grundsätzlich betrifft und wichtig ist. Er sorgt zum Beispiel dafür, dass du in einem Heim, bei einer Pflegefamilie oder in einer betreuten Wohnung ein Zuhause findest, das zu dir passt oder er bestimmt, welche Schule du besuchst. Er unterschreibt auch den Ausbildungsvertrag oder eine Einwilligung zu einer Operation. Auch wenn du zum Beispiel schwanger bist und das Kind nicht willst, brauchst du die Einwilligung deines Vormunds. Außerdem hat er mitzureden, wenn es um die Kontakte zu deinen Eltern geht.
Dein Vormund sollte dir seine Entscheidungen allerdings immer mitteilen. Habe ich dabei auch was mitzureden? Dein Vormund soll sich mit dir absprechen, wenn er wichtige Entscheidungen für dich trifft (§ 1626 Abs. 2 BGB). Er soll sie ja in deinem Interesse treffen und dafür muss er dich auch ein wenig kennen lernen unddu ihn. Absprachen über deine Zukunft werden meistens in persönlichen Gesprächen zwischen dem Vormund und dir getroffen. Ihr könnt aber auch vereinbaren, euch regelmäßig zu schreiben oder zu telefonieren. Falls du das Gefühl hast, dein Vormund bezieht dich bei diesen Entscheidungen nicht ein, kannst du von deinem Vormund verlangen, dass er dich beteiligt. Er muss dabei dein wachsendes Verantwortungsbewusstsein berücksichtigen und dein Bedürfnis nach Selbstständigkeit akzeptieren. Das heißt, je älter du wirst, umso mehr muss deine Meinung berücksichtigt werden. Solltet ihr nicht einer Meinung sein, wird der Vormund versuchen, sich mit dir zu einigen.
Quelle: www.dein-vormund.de